Volksabstimmung über die STAF: Ja zur Verknüpfung von Steuerreform und AHV-Finanzierung!

Das Urteil der Stimmbevölkerung ist klar und überrascht nicht: Mit einem Volksmehr von 66% und der Einstimmigkeit der Kantone haben die Schweizer am 19. Mai das neue Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) angenommen. 

Das Gesetz beruht auf zwei Vorlagen, die 2017 scheiterten: Die dritte Unternehmenssteuerreform (USR III) wurde im Februar von 59% des Stimmvolks abgelehnt. Einige Monate später sprachen sich 53% gegen die Revision Altersvorsorge 2020 aus. Angesichts des dringenden Reformbedarfs arbeitete das Parlament sofort eine neue STAF-Vorlage aus, welche die beiden eigentlich grundlegend unterschiedlichen Dossiers zusammenlegt. Die Kombination Steuervorlage und Zusatzfinanzierung der AHV berücksichtigt einen der wichtigsten Faktoren des Misserfolgs der USR III, nämlich den fehlenden sozialen Ausgleich für die steuerliche Entlastung der Unternehmen.

In steuerlicher Hinsicht lässt sich das neue Bundesgesetz wie folgt zusammenfassen: Unter dem Druck der OECD und der Europäischen Union passt die Schweiz die Unternehmensbesteuerung den internationalen Anforderungen an. Aber welche Auswirkungen hat das neue Bundesgesetz auf die Finanzierung der 1. Säule unserer Altersvorsorge, und wie wirkt es sich auf die geplante Reform zur Stabilisierung der AHV („AHV 21“) des Bundesrats aus?

Was den finanziellen Aspekt betrifft, so sieht der Kompromiss des Parlaments vor, dass jeder Franken, den Unternehmen infolge der Unternehmenssteuerreform einsparen, durch die Zahlung eines Frankens an den AHV-Fonds ausgeglichen wird. Das bedeutet konkret, dass die Unternehmen 2 Milliarden Franken an Steuern einsparen, während der AHV-Fonds 2 Milliarden Franken mehr erhält. Rund 800 Millionen Franken kommen aus der Bundeskasse, der Rest wird von den Arbeitgebern und Erwerbstätigen finanziert. Erstmals seit mehr als 40 Jahren erhöhen sich die paritätischen Beiträge an die AHV um 0,30%. Auf Arbeitnehmerseite steigt der Beitrag also um jeweils 0,15%, das sind 1,5 Franken auf 1'000 Franken Lohn.

Aber die STAF hat noch eine weitere bedeutende Auswirkung auf die Zukunft der 1. Säule, denn sie erfolgt im Rahmen der Vorlage zur Stabilisierung der AHV („AHV 21“) des Bundesrats. Da die Grundzüge dieser Vorlage im März 2018 präsentiert wurden, das heisst vor der Verabschiedung der STAF durch das Parlament und der Annahme durch das Stimmvolk, stellt sich nun die Frage, welches Schicksal die „AVH 21“ erwartet.

Der Bundesrat gab vor der Volksabstimmung bekannt, eine Strukturreform der AHV sei auf jeden Fall auch bei einer Annahme der STAF weiterhin notwendig, da die STAF nur einen Teil des Finanzierungsbedarfs abdecke. Seit 2014 entsprechen die Einnahmen der AHV nicht mehr den Ausgaben. Allein 2018 belief sich der Fehlbetrag auf 2,2 Milliarden Franken. Dieses Defizit dürfte in Zukunft tendenziell steigen.

Deshalb wurde bereits beschlossen, den Finanzierungsbedarf der AHV neu zu evaluieren und die geplante Reform AHV 21 entsprechend anzupassen. Der Bundesrat will dem Parlament vor Ende August eine Vorlage unterbreiten. Seine Aufgabe dürfte jedoch schwierig sein. Mit Hilfe der «Finanzspritze» über die STAF sinkt der Finanzierungsbedarf der AHV bis 2030 von 53 Milliarden Franken auf 23 Milliarden Franken. Dies könnte den zukünftigen Strukturreformdruck mindern und die Verabschiedung einiger der geplanten Massnahmen erschweren. 

Derzeit umfasst die Vorlage des Bundesrats hauptsächlich zwei Schwerpunkte: die Anhebung der Mehrwertsteuer und die Harmonisierung des Rentenalters. Die erste Massnahme scheint grundsätzlich akzeptiert zu werden, aber die Erhöhung des Referenzalters für Frauen ist angesichts der Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen ein besonders heikles Thema. Lebhafte Debatten zwischen den Linksparteien und Gewerkschaften einerseits und der politischen Rechten und den Arbeitgeberverbänden andererseits sind zu erwarten. In der Zwischenzeit finden auf beiden Seiten viele Überlegungen statt. Beispielsweise wollen die Jungfreisinnigen das Referenzalter allmählich sogar auf über 65 Jahre anheben und es letztlich von der Lebenserwartung und der finanziellen Lage des AHV-Fonds abhängig machen.

Der Ball liegt also vorerst im Feld des Bundesrats, dann kommt das neue Parlament zum Zug, das im Herbst gewählt wird. Fortsetzung folgt ...

 



Infragestellung der Abstimmung über die STAF?

Wie bereits vor der Volksabstimmung angekündigt, wollen die Gegner der STAF die Aufhebung der Abstimmungsergebnisse beantragen. Sie machen einen Verstoss gegen die Einheit der Materie geltend, ein Grundsatz, der besagt, dass in einer Gesetzesvorlage nicht verschiedene Sachfragen miteinander verbunden werden dürfen, zwischen denen kein sachlicher Zusammenhang besteht. Das Bundesamt für Justiz gab vor der Volksabstimmung bekannt, dass die Verbindung der Reform der Unternehmensbesteuerung und der AHV-Finanzierung zweifellos einen Grenzfall darstelle. Diese Aussage kann nun sowohl den Verfechtern als auch den Gegnern der Reform als Argument dienen. Nach Einreichung der Beschwerde muss die zuständige Kantonsbehörde innert zehn Tagen einen Entscheid treffen, dann können sich die Beschwerdeführer an das Bundesgericht wenden.