STAF: Deal des Jahres oder inakzeptabler Kompromiss?

Was ist die «STAF»?

Hinter dem geheimnisvollen Akronym STAF versteckt sich eine ungewöhnliche Gesetzesvorlage, die zwei wichtige Themen für die Schweiz und die Schweizer Bevölkerung umfasst: die Steuervorlage und AHV-Finanzierung. Die STAF verknüpft die Unternehmenssteuerreform mit einem anderen wichtigen Dossier, nämlich den Renten. Ziel ist es, eine Lösung zu finden, hat doch das Volk im Februar 2017 gegen das Unternehmenssteuerreformgesetz III (USR III) und im September 2017 gegen die Vorsorgereform (Altersvorsorge 2020) gestimmt.

Ein origineller parlamentarischer Kompromiss!

Seit der Ablehnung des USR III übt Brüssel Druck auf die Schweiz aus, damit sie ihre bestehenden Steuerregimes, die gegen internationale Standards verstossen, ablöst. Die zukünftige Finanzierung der AHV ist nach der Niederlage der Reform Altersvorsorge 2020 höchst besorgniserregend. Angesichts des politischen Patts und der Angst vor einem weiteren Nein des Stimmvolks verabschiedete das Parlament im September 2018 einen typisch schweizerischen Kompromiss: Es wurde beschlossen, die beiden Dossiers zu verknüpfen und die Steuerreform mit sozialen Ausgleichszahlungen zu verbinden, welche die AHV-Finanzierung verbessern. So entstand die STAF. Konkret sieht die Vorlage vor, dass jeder Franken, den Unternehmen infolge der Unternehmenssteuerreform einsparen, durch die Zahlung eines Frankens an den AHV-Fonds ausgeglichen wird. Das bedeutet, dass die Unternehmen 2 Milliarden Franken an Steuern einsparen, während die Rentner 2 Milliarden Franken mehr erhalten. Dieser Betrag wird von der Mehrwertsteuer, dem Bund und einer Erhöhung des AHV-Beitragssatzes um insgesamt 0,3 Prozentpunkte (0,15 Prozentpunkte Arbeitgeber und 0,15 Prozentpunkte Arbeitnehmer) finanziert.

Volksabstimmung

Zwei Ausschüsse kündigten kürzlich an, die nötigen 500'000 Unterschriften für ein Referendum gesammelt zu haben. Die Volksabstimmung über die STAF wurde für den 19. Mai 2019 angesetzt. Dieses Referendum ist aussergewöhnlich, weil es sich auf eine Vorlage mit zwei Gegenständen bezieht, die nichts miteinander zu tun haben: die Unternehmenssteuerreform und die AHV-Finanzierung. Es geht also um alles oder nichts! Einige Kritiker stützen sich übrigens genau auf dieses Argument. Ihnen zufolge verstösst die Verknüpfung der AHV-Finanzierung mit der Unternehmenssteuerreform gegen die Prinzipien der Demokratie, weil das Volk nicht einen Teil annehmen und den anderen ablehnen kann.

Und die Vorsorgereform?

Nach der Ablehnung der Altersvorsorge 2020 legte der Bundesrat das Projekt AHV21 vor, welches das Niveau der Altersvorsorge stabilisieren und das finanzielle Gleichgewicht der AHV bis 2030 sicherstellen soll. Zudem beauftragte er die Sozialpartner, ihm Vorschläge für eine BVG-Revision vorzulegen. Vor dem Hintergrund der Altersvorsorgereform verabschiedete das Parlament die STAF. Wird sie angenommen, hat das neue Gesetz einen entscheidenden Einfluss auf die AHV21, denn die zusätzlichen Einnahmen würden den Finanzierungsbedarf der AHV bis 2030 deutlich senken. Dennoch wird befürchtet, dass die positiven Auswirkungen für die AHV die dringend zu behebenden Strukturprobleme der ersten Säule verschleiern könnten und die politische Reformbereitschaft schwächen, insbesondere in einem Jahr, in dem viele Urnengänge anstehen. Seitens der beruflichen Vorsorge werden die höheren Beitragszahlungen infolge der STAF als Zusatzfinanzierung der AHV den Sozialpartnern, die neue Lösungen vorschlagen sollen, ihre Aufgabe nicht erleichtern. Wird das Stimmvolk die STAF als Deal des Jahres betrachten oder sie als inakzeptablen Kompromiss ablehnen? Am 19. Mai 2019 werden wir es erfahren.